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25.04.2022

Vielfalt ist nichts für Feiglinge (TD)

Was hat das Eine denn mit dem Anderen zu tun? Vielfalt bedeutet, dass ich eine Offenheit benötige. Die Akzeptanz dass ich meine Ansicht habe, dass diese aber eventuell auch korrigiert gehört. Und das ist verdammt schwer. Wir Menschen hassen es, uns zu irren. Wir tun alles mögliche um Recht zu behalten. Und so bauen wir uns in unserem Leben unsere feste Sicht auf die Umwelt auf. Ein stabiles Bild, welches uns Sicherheit und Zuverlässigkeit vermittelt.
Warum ist das so? Unser Hirn, unser Denken ist so ausgelegt, dass es versucht Energie zu sparen, wo immer möglich. Wir dürfen nicht vergessen, dass dieses kleine Organ selbst im Ruhezustand 20% und mehr unserer Energie benötigt. Wehe, wenn es richtig ins Schwitzen kommt, dann steigt dieser Energiefresser auf bis zum Dreifachen. Ein Zustand, der auf Dauer nicht effizient ist und den restlichen Körper auf das Abstellgleis manövriert. Also gilt es derartige Energieverschwendung zu eliminieren. Um besonders effizient zu arbeiten, hat unser Gehirn eine gute Strategie etabliert; alle Dinge und Ansichten, die uns korrekt erscheinen, bekommen im Laufe der Zeit eine Autobahn gebaut. Unsere Nervenzellen schließen sich zusammen und bauen aus einem Trampelpfad allmählich einen breiten Weg und schließlich eine Autobahn. So können Routinen und feste Weltbilder etabliert werden. Wir befinden uns mit unserem Sein im Gleichgewicht, einen Zustand den man als Kohärenz bezeichnet. Wir, unser Verhalten und die Umgebung sind in einem gesunden Gleichgewicht, alles ist stimmig.
Was passiert aber mit den Dingen, die nicht in dieses Weltbild passen, mit Aspekten, die diese Kohärenz stören? Wir nehmen sie nicht wahr, wir haben überhaupt keine Probleme, diese auszublenden. Wenn eine Kollegin immer unfreundlich ist und plötzlich grüßt, dann steckt da eine bösartige Absicht dahinter, sie will etwas von uns. Dass sie einfach so freundlich ist passt nicht in unsere Sicht und deshalb kann es nicht sein! Wir passen sogar Informationen so an, dass sie irgendwie passend werden, Hauptsache, wir können weiter auf unserer Autobahn bleiben. Hinter all diesem Verhalten liegt keinerlei böse Absicht, sondern unser Hirn tut das, damit wir weiter gut mit der verfügbaren Energie haushalten. So gut es geht vermeiden wir den Zustand der Inkohärenz.
Jetzt kommen wir aber wieder zu der Vielfalt zurück. Wenn ich mich auf andere Welten einlasse, dann muss ich bereit sein, meine Ansichten, meine Autobahnen hinter mir zu lassen, um möglichst unvoreingenommen neue zu reflektieren. Das erfordert Mut, denn es könnte passieren, das ich meine liebe gewonnene schnelle und bekannte Route aufgeben muss. Dass ich eine neue Strecke denken muss, dass ich wieder unbekanntes Terrain betrete. Und das kostet Energie, die nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Deshalb ist es ökonomisch so schwer, sich gegen den gewohnten Weg zu entscheiden. Ich agiere in diesem Moment gegen mein Gewohnheits-Ich, was anstrengend ist. Ich verlasse den Zustand der Kohärenz und brauche Zeit, bis ich wieder ins Gleichgewicht gelange.
Vielfalt ist also nichts für Feiglinge, weil es voraussetzt, dass ich mich wirklich auf andere Sichten einlasse, dass ich den Zustand der Inkohärenz bewusst aushalte. Dass ich bereit bin, meine Autobahn zu verlassen. Aber das Gute daran ist, dass ich in der Folge immer wieder die Erfahrung mache, dass dieser Zustand nur momentan ist, dass ich ihn aushalten kann, dass ich genug innere Gewissheit habe, dass ich daran nicht zerbreche. Wenn ich also die tiefe Stimmigkeit und Gewissheit in mir und meinem Sein erkenne, kann ich mich nach und nach leichter auf den Zustand der Inkohärenz im Zusammenspiel mit anderen einlassen. Dann kann ich Vielfalt leben und Nutzen daraus generieren.



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